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Susanne Zetzl Autorin

Erscheint 4/16 in der Anthologie „Reiseabenteuer des Drachen"

Verlag: net-Verlag, Maria Weise

ISBN: 978-3-95720-160-7

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Justus und die kariert getupften Zebrawichtel


(Ausschnitt)

Weil mir diese Geschichte keiner glauben würde, kann ich sie nicht erzählen. Also schreibe ich sie auf, dann muss ich nicht die ungläubigen Gesichter derjenigen sehen, die sie vielleicht einmal lesen werden.

Ich war zehn oder elf, als ich den Drachen im Wald traf. Mein bester Kumpel hatte an diesem Tag keine Zeit zum Spielen. Also machte ich mich ohne ihn auf den Weg in den Wald, wo es immer was zu entdecken gab. Auch wenn man allein war.

Und was ich da entdeckte.

Es war ein heißer Sommertag, die Luft dick und zäh wie Pizzakäse. Ich wollte zu dem kleinen Teich, der in einer Waldlichtung lag. Es war nicht weit zu gehen, vielleicht zehn Minuten. An dem Teich angekommen, spürte ich einen plötzlichen Luftzug. Etwas Dunkles zeichnete sich auf dem Wasserspiegel ab, wie eine Wolke, die der Wind vor die Sonne schiebt. Aber der Schatten kam nicht von einer Wolke. Er wurde immer größer und größer. Ich blinzelte nach oben.

Es war nicht mehr und nicht weniger als ein Drache, der da aus dem Himmel mitten in den Teich geflogen kam. Mit einem lauten Platscher landete er im Wasser und versank bis zu seiner großen knubbeligen Nase darin. Dann schloss er die Augen und blies Luft aus seinen Nüstern, dass das Wasser vor ihm nur so blubberte.

Mich hatte er noch nicht entdeckt; längst war ich hinter einen Baumstamm gesprungen. Mein Herz schlug so laut, wie der Specht, der irgendwo im Wald an die Rinde klopfte.

Vorsichtig schielte ich hinter dem Stamm hervor. Der Drache holte tief Luft und tauchte unter. Ein paar Luftblasen zerplatzen auf der Wasseroberfläche. Es dauerte ziemlich lange, bis er wieder hochkam. Dann schüttelte er sich, dass die Tropfen wie glitzernde Perlen um ihn flogen. Wieder holte er tief Luft und es sah aus, als wollte er noch mal untertauchen.

Was hatte er vor? Sich ertränken?

Ich hielt es nicht mehr aus und trat hinter dem Baumstamm hervor, blieb aber noch in sicherem Abstand zu ihm. Sofern man davon bei einem Drachen sprechen kann.

„Hee, du“, rief ich ihm zu, „hör auf, oder willst du ersaufen?“ Meine Stimme hörte sich mutiger an, als ich mich fühlte.

Der Drache fuhr so heftig zu mir herum, dass er mit seinem Schwanz einen kleinen Tsunami auslöste.

Feurige Augen, groß wie Suppenteller, starrten mich an. Jetzt war ich es, der die Luft anhielt. Zunächst wagte keiner von uns ein Wort, weil wir beide so überrascht waren, einander hier zu sehen. Endlich brummte er mit tiefer Stimme: „Was geht dich das an, du kleiner Klugscheißer?“

Ich war so verblüfft über die freche Antwort, dass ich meine Angst vergaß und aus dem Schatten in das helle Sonnenlicht trat. „Von Höflichkeit hältst du wohl nicht viel, was?“, fragte ich.

Der Drache schnaubte. „Was kümmert’s dich, du hast ja keine Ahnung“, murmelte er und tauchte wieder ab.

Meine Mama sagt immer, ich sei viel zu neugierig. Das stimmte. Denn ich konnte es mir nicht verkneifen, noch näher an den Teich zu gehen und hineinzusehen. Das Wasser war klar und unter der Oberfläche konnte ich den schuppigen Drachenkopf deutlich erkennen. Ab und zu blubberten Blasen hervor, aus denen kleine Rauchfähnchen aufstiegen, wenn sie zerplatzten. Als er endlich wieder auftauchte, fragte ich: „Was ist denn los mit dir? Warum blubberst du nur Rauchblasen? Hast du etwa kein Feuer?“

Der Drache verdrehte die Augen nach oben. „Nein, wenn du es genau wissen willst!“

Ich stand jetzt ganz dicht vor ihm. Obwohl er schlechte Laune zu haben schien, machte er mir keine Angst. „Wieso denn nicht?“, fragte ich.

„Du bist aber ein neugieriger kleiner Zwerg! Also gut. Es ist so: Wir Drachen sind ja ein sehr reisefreudiges Völkchen. Meine Familie und ich sind hier auf der Durchreise. Und ich bin der Einzige aus meiner Familie, der ein … nun sagen wir mal: Hautproblem hat.“

„Ein Hautproblem“, wiederholte ich und nickte mit dem Kopf, als sei es das Selbstverständlichste der Welt, dass vor mir in einem Teich ein Drache saß und über Hautprobleme klagte.

„Ja“, fuhr er fort, „alle meine Drachenbrüder können stundenlang durch die Gegend fliegen. Ich kann das nicht. Meine Haut ist zu trocken und außerdem bekomme ich ganz schnell Sonnenbrand. Und dann jucken meine Schuppen entsetzlich.“


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